Basel-Stadt hat eine Vorbildfunktion in der frühen Deutschförderung

Der Besuch einer Spielgruppe ist grundsätzlich kostenpflichtig und freiwillig. Manchmal ist es aber auch genau umgekehrt: Kinder, die kein oder nur wenig Deutsch sprechen, müssen im Jahr vor dem Kindergarten im Rahmen der obligatorischen Deutschförderung eine Spielgruppe oder eine andere deutschsprachige Institution besuchen. Die Kosten dafür übernimmt der Kanton – eine lohnende Investition.

Über 40 Prozent der Kinder in Basel besuchen die frühe Deutschförderung
Über 40 Prozent der Kinder in Basel besuchen die frühe Deutschförderung

Die Idee vor zwölf Jahren war so einfach wie logisch: Kinder mit ungenügenden Deutschkenntnissen sollen in Basel ein Jahr vor Beginn des Kindergartens erfasst und zum Besuch der frühen Deutschförderung in einer privaten Spielgruppe oder einem privaten Tagesheim verpflichtet werden. Das Projekt hatte Pioniercharakter, ähnliche Modelle gab es zwar schon in Deutschland und in Österreich, diese setzten aber später ein, und auch in der Schweiz gab es nirgends eine obligatorische kostenlose Sprachförderung im Vorkindergartenalter.

Nur ganz wenige fallen durch das Raster
Während das Basler Pilotprojekt 2013 definitiv übernommen und drei Jahre später gesetzlich verankert wurde, schauen andere Kantone immer noch neidisch nach Basel. Monika Hürlimann etwa, die den Stadtluzerner Bereich Frühkindliche Bildung und Betreuung leitet, tauscht sich schon seit Jahren mit Basel-Stadt aus. Die gesetzlichen Vorgaben erlauben aber in Luzern vorerst kein Obligatorium ohne Kosten für die Eltern. Gerade diese beiden Faktoren sind aber für Susann Täschler, Leiterin Fachbereich Frühe Deutschförderung im Basler Erziehungsdepartement, wichtig für den Erfolg: «Es gibt bei unserem Modell kaum Kinder, die durch das Raster fallen.»

Wer kein Deutsch spricht, kann bereits im Kindergarten den Anschluss verlieren
Zentral für die Erfassung der Kinder mit Förderbedarf ist ein Fragebogen, der von der Universität Basel entwickelt wurde und jeweils im Januar an alle Familien im Kanton Basel-Stadt verschickt wird, deren Kinder anderthalb Jahre später in den Kindergarten kommen. Diesen gibt es in zwölf Sprachen. Das tönt nach viel, im aktuellen Obligatorium ist die Fachstelle aber mit Kindern aus 80 Ländern (und entsprechend vielen Sprachen) konfrontiert … Im Fragebogen geht es beispielsweise darum, ob das Kind bestimmte bildlich dargestellte Tätigkeiten auf Deutsch benennen kann. Anhand der Kreuze der Eltern wird ausgewertet, wie gut das Kind die deutsche Sprache beherrscht. «Natürlich ist es möglich, dass Eltern den Fragebogen nicht ganz richtig ausfüllen, ob bewusst oder unbewusst. Die Kinder, die deswegen zu Unrecht verpflichtet werden, bereiten uns weniger Sorgen als diejenigen, bei denen die Eltern angeben, ihr Kind könne Deutsch, obschon dessen Kenntnisse nicht ausreichen. Allerdings kann ein Negativ-Entscheid im Nachhinein noch durch eine Zweitabklärung, zum Beispiel durch den Kinderarzt, korrigiert werden», so die Fachstellenleiterin. Wie hoch die Akzeptanz für die frühe Deutschförderung ist, zeigt sich auch beim Rücklauf der Fragebogen, die Quote liegt fast bei 100 Prozent – ein eindrücklicher Wert. «Die meisten Fragebogen kommen nach kurzer Zeit zurück, bis auch noch die letzten zehn Prozent auf dem Tisch sind, ist der Aufwand dann allerdings ziemlich hoch», so Susann Täschler – und dann müssen alle Fragebogen noch ausgewertet werden. Die Ergebnisse lassen aufhorchen und unterstreichen die Bedeutung der frühen Deutschförderung: Im Schuljahr 2018/2019 wurden über 40 Prozent der Basler Kinder zum Deutschlernen verpflichtet, die leicht steigende Tendenz setzt sich somit auch in diesem Jahr fort. Die Übernahme der Elternbeiträge kostet den Kanton rund 1,5 Millionen Franken pro Jahr – Gelder, die gemäss Susann Täschler gut investiert sind. «Bereits im Kindergarten verliert schnell den Anschluss, wer kein Deutsch spricht, dieses Manko aufzuholen wird nicht nur schwierig, sondern auch teuer.»

Spezifische Ausbildung für das Frühförderpersonal
Die frühe Deutschförderung selbst erfolgt natürlich nicht auf der Schulbank, sondern spielerisch in einer Spielgruppe, die mit dem Erziehungsdepartement eine Leistungsvereinbarung bezüglich der Deutschförderung abgeschlossen hat. 40 solcher «Sprachförder-Spielgruppen» gibt es unterdessen. Zwei halbe Tage pro Woche sind die fremdsprachigen Kinder dort, etwa ein Viertel der zur frühen Deutschförderung verpflichteten Kinder besuchen allerdings nicht eine Spielgruppe, sondern ein Kindertagesheim oder eine Tagesfamilie (in der Deutsch gesprochen wird), meistens weil sie schon zuvor dort waren und ein Wechsel keinen Sinn macht. Die Mitarbeitenden in den Sprachförder-Spielgruppen sind speziell ausgebildet, neben einer pädagogischen Grundausbildung brauchen sie ein Zertifikat in früher Sprachdidaktik. Seit etwa zehn Jahren bietet die Berufsfachschule Basel diese rund zweijährige Zusatzausbildung an. Klar vorgegeben sind in den Sprachförder- Spielgruppen neben der Ausbildungsqualifikation auch die Öffnungszeiten, der Betreuungsschlüssel, die Gruppengrösse sowie die Zusammenarbeit mit dem Erziehungsdepartement respektive der Schuleingangsstufe (Kindergarten) und den Eltern. Der Austausch zwischen der Institution und den Familien wird entweder an Elternabenden oder bei anderen Gelegenheiten gefördert, beispielsweise beim Abholen oder Bringen der Kinder. Dem Dialog kommt eine hohe Priorität zu. An Voraussetzungen, damit eine Spielgruppe die frühe Sprachförderung anbieten kann, kommt gemäss Susann Täschler demnach schon einiges zusammen, «und wer diese Kriterien nicht erfüllen kann oder will, kommt als Vertragsspielgruppe nicht mehr in Frage». Direkte Verbindungspersonen zwischen den Spielgruppen und der Fachstelle sind die beiden pädagogischen Mitarbeiterinnen, die alle 40 Sprachförder-Spielgruppen regelmässig besuchen.

Ein möglicher Ausbau der Frühförderung hängt von der Politik ab
Trotz grosser und aufwändiger Bemühungen des Kantons für eine frühe Deutschförderung vor dem Kindergarteneintritt kann die Zielsetzung nicht immer in befriedigendem Umfang erreicht werden. Nicht alle Kinder sind nach einem Jahr auf dem geforderten Level, dies aus unterschiedlichen Gründen. So gibt es in einigen Quartieren Spielgruppen mit einem sehr hohen Anteil fremdsprachiger Kinder, da lernt man gezwungenermassen auch weniger schnell Deutsch. Dazu fehlt es manchmal auch an der nötigen Unterstützung durch die Eltern. «Bei solchen Rahmenbedingungen kann es schwierig werden bei nur zwei halben Tagen Deutschförderung.» Ob dereinst mehr Zeit zur Verfügung stehen wird und die Unterstützung bereits früher einsetzt, wie das Studien der Universität Basel und der Fachhochschule Nordwestschweiz anregen, steht in den Sternen. Aufgrund dieser Erkenntnisse haben einige Sprachförder-Spielgruppen ihr Angebot inzwischen ausgebaut, sodass Kinder mit Förderbedarf die Spielgruppe an vier Halbtagen besuchen können. Eine Motion im Grossen Rat, die einen Ausbau der Frühförderung verlangt, ist noch hängig. Für den Grossteil der 670 Kinder, die nach den Sommerferien mit der frühen Deutschförderung beginnen, bleibt aber alles noch beim Alten, das heisst bei zwei halben Tagen pro Woche. Das ist aber immer noch viel mehr als in anderen Kantonen – Basel-Stadt bleibt in der frühen Deutschförderung ein «Pionierkanton».

Hinweise:

Text: Jakob Gubler, Foto: Christian Flierl. Dieser Beitrag erschien im Personalmagazin BS intern, Nr. 242/2019. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung. 

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